Am 9.2. waren Christine Dohmann und Christian Leson zu Gast in der VHS in Dorsten, wo der Stadtrat zu einer Podiumsdiskussion zur Fragestellung "Finanzausstattung der Städte und Gemeinden" eingeladen hatte. In vier Fragerunden wurde den Kandidaten die Möglichkeit gegeben, ihre Vorstellungen zur Sache darzulegen.
Eingeladen waren Vertreter der SPD, CDU, FDP, der Grünen und der Linken mit jeweils zwei Kandidaten, da das Dorstener Stadtgebiet in zwei Wahlkreise (71 & 72) aufgeteilt ist. Zu jeder Frage konnten sich die Parteien auf einen Redner einigen, er hatte dann zwei Minuten für die Antwort. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den jeweiligen Argumenten der anderen war so natürlich schwierig.
Etwa 80 Gäste konnten sich einen Eindruck von der Position der Partei und den Wünschen der Kandidaten für die nächste Wahlperiode machen. Oder eben auch nicht...
Im Nachgang schrieb der Redaktionsleiter der Dorstener Zeitung Herr Diebäcker eine Art Kommentar oder persönliche Zusammenfassung, die ich hier gerne wiedergeben möchte:
11. 03. 2017
Neun Kandidaten und der Mann mit der Hupe
Eine Podiumsdiskussion über die Kommunalfinanzen und was am Ende des Abends hängenbleibt
DAS KONZEPT: Die Kandidaten aus zwei Wahlkreisen bekommen vier Fragen zum Thema Kommunalfinanzen. Aus jeder Partei darf sich ein Vertreter zwei Minuten äußern. Dann stellt jede Partei einer anderen eine Frage. Zum Abschluss dürfen die Zuhörer Fragen stellen.
DER MODERATOR: Klaus-Dieter Krause war als Redaktionsleiter und Chefreporter bis zum Ruhestand politischer Berichterstatter der Dorstener Zeitung. Er stellt die Fragen, stoppt die Redezeit und bremst fortwährende Dampfplauderei notfalls mit einer quäkenden Hupe. Die Hörprobe ist beeindruckend, der Moderator muss das akustische Stoppzeichen zum Glück nicht benutzen. Einmal droht ihm die Diskussion über den Kopf zu wachsen, da schreitet er rigoros ein: „Wir sind hier nicht bei Anne Will!“
DAS PUBLIKUM: 70 Zuhörer sind gekommen. Jede Partei hat Anhänger mitgebracht, sogar aus Haltern und Gladbeck. Auf der einen Seite gibt es Applaus von Schwarz und Gelb, auf der anderen von Rot. Die Grünen sitzen eigentlich falsch, klatschen aber auch ganz gerne mal.
DIE FRAGEN:1. Wie würden Sie den dramatischen Kostenanstiegen beim Landschaftsverband oder beim RVR einen Riegel vorschieben? 2. Muss das Land bei zusätzlichen Aufgaben – zum Beispiel bei der Inklusion – die Kommunen komplett entlasten? 3. Wie wollen Sie verhindern, dass durch das krasse Gefälle beim Grundsteuersatz manche Orte ausbluten? 4. Fördermittel sind zweckgebunden, auf den Folgekosten bleiben die Kommunen sitzen: Haben Sie Ideen für praxisnahe Verbesserungen?
MICHAEL HÜBNER (SPD): Kommt aus Gladbeck, redet gerne über Gladbeck. Verweist auf die vielen Erfolge der Landesregierung und wie die Kommunen unterstützt werden. Den Rest muss der Bund regeln. Punkt! Und wenn da jemand im Publikum widerspricht, gibt‘s Ärger.
HANS-PETER MÜLLER (SPD): Ein Typ aus dem Ruhrgebiet, der im Grenzgebiet zum Münsterland mal wieder die Kohlen aus dem Feuer holen soll. Klare Kante, lässt sich den Mund nicht verbieten. Argumentiert wie Hübner, wie auch sonst?
MARTIN LANGE (CDU): Noch ein Gladbecker, will erstmals in den Landtag. Dürfte schwer werden gegen Hübner. Kennt aber die Probleme der Kommunen. Gladbeck hat‘s ja auch nicht leicht.
JOSEF HOVENJÜRGEN (CDU): Zügelt sein Temperament, lächelt (oder schmunzelt) über die Ausführungen der SPD. Will den Landschaftsverband mit eigenem Budget ausstatten, damit er das Sparen lernt. Über den Regionalverband Ruhr (RVR) spricht er nicht. Wie heißt der Vorsitzende der RVR-Verbandsversammlung doch gleich...?
MEHRDAD MOSTOFIZADEH (GRÜNE): Der Ersatzmann für die erkrankte Elke Marita Stuckel-Lotz. Wer ihn nicht kennt, scheitert schon mal an der Aussprache seines Namens. Die Zuhörer wissen nun, dass er gerne eine Grafik dabei hat, um zu „beweisen“, dass unter Schwarz-Gelb ziemlich viel ziemlich schlecht lief. Ist aber schon ein paar Jahre her.
DARIUSCH RIMKUS (GRÜNE): Der Jüngste und Unerfahrendste in der Runde, „aber vielleicht motivierter als die anderen“, sagt er bei der Vorstellung. Den Beweis bleibt er schuldig. Er sitzt auf dem Podium und sagt den ganzen Abend nichts.
CHRISTIAN LESON (FDP): Er meldet sich bei Frage drei zu Wort und findet, dass sie falsch formuliert ist. Die Frage, nicht die Antwort. Deshalb beantwortet er die Frage auch nicht, sondern antwortet einfach irgendwas. Schuld ist natürlich der Fragesteller.
CHRISTINE DOHMANN (FDP): Kritisiert von rechts außen (geographisch betrachtet) gerne die Schul- und Wirtschaftspolitik von Rot-Grün, kommt aber ins Straucheln, als sie von den Grünen gefragt wird, was genau Parteichef Christian Lindner 2013 meinte, als er 14000 Stellen in Landesbehörden gestrichen haben wollte.
RALF MICHALOWSKY (DIE LINKE): Der einzige Vertreter seiner Partei, redet deshalb mehr. Ist gegen eine rot-rot-grüne Regierung, möchte in den Landtag. Dazu muss seine Partei nur über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Da liegt vielleicht das Problem.
DER BÜRGERMEISTER: Tobias Stockhoff hat sich während der Diskussion mehrfach auf die Unterlippe gebissen, aber er verteilt zum Abschied artig Geschenke: Bücher über den Lippe-Polder-Park. Merke: Wenn die Stadt kein Geld hat, wird bürgerschaftliches Engagement noch wertvoller. Der Moderator bekommt Hochprozentiges. Nun, so schlimm war es auch wieder nicht.
FAZIT: Wer die Podiumsdiskussion verfolgt hat, ist genauso schlau wie vorher. Und wer sie verpasst hat, hat eigentlich nichts verpasst.
Auf Wunsch des Stadtrates waren am Donnerstagabend neun Landespolitiker und solche, die es werden wollen, ins VHS-Forum gekommen. Es sollte in der Podiumsdiskussion um die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden gehen. Redaktionsleiter Stefan Diebäcker schildert im Folgenden seine Eindrücke. Bahnbrechend Neues gab es schließlich nicht, vieles ging am Thema vorbei, was auch Bürgermeister Tobias Stockhoff in seinem Schlusswort bemängelte. „Ich hätte mir gewünscht, dass mehr über Kommunalfinanzen gesprochen worden wäre.“
Mir ist nicht klar, welches Ziel der Autor mit diesem Kommentar bezweckt. Ist das Satire? Schreibt er sich da den Frust von der Seele? Herr Diebäcker ist sonst eher für seine ausgleichende Art bekannt.
Ich kann der Kritik in einigen Punkten durchaus Recht geben, und nicht nur da, wo es die anderen Parteien betrifft. Teilweise gab es Antworten, die nicht zu den Fragen passten, also thematisch am Thema vorbei liefen. Dies ist mir besonders beim Schlusswort aufgefallen, in dem es dann tatsächlich eher um Wahlkampf und nicht um die Sache ging, auch bei uns.
Diese Antworten hat der Moderator Herr Krause allerdings nicht moniert. Auch er hätte durch eine straffere Moderation bereits zu Beginn manchmal das Abdriften verhindern können. Allerdings war das aus unsere Sicht nur bei einigen Teilnehmern nötig. Es ist eben in vielen Antworten doch auf das Thema Kommunalfinanzen eingegangen worden. Auch die Ordnung wurde beibehalten, da, wie der Autor selber sagt, die Hupe nicht zum Einsatz kam. Inhaltlich setzt sich Herr Diebäcker aber gar nicht mit den Antworten auseinander oder versucht ein Fazit daraus zu ziehen. Es werden statt dessen die schwierigsten Momente herausgepickt und die Kandidaten dadurch auch persönlich bloßgestellt ("der Jüngste und Unerfahrendste (sic)", "scheitert schon mal an der Aussprache seines Namens").
Ich möchte kurz auf die beiden uns betreffenden Kommentarpunkte eingehen:
Die Frage 3 wird bei Herrn Diebäcker verkürzt und nicht sinngemäß wiedergegeben. Der Moderator stellte die Frage, wie man verhindern könne, dass bei unterschiedlicher Steuerbemessung (Grund- und Gewerbesteuer) die Bürger nicht einfach in die nächstgelegene Kommune mit einem günstigeren Steuersatz "fliehen" würden und die Kommunen so ausbluten. Ich fand die Frage falsch gestellt, weil es für viele Bürgerinnen und Bürger das einfache Fliehen gar nicht als Option gibt. Mit Gewerbe und Immobilie ist man eben oft "immobil" und könne darum nicht einfach umziehen. Man müsse also dafür sorgen, dass die Kommunen besser mit Finanzmitteln ausgestattet werden, damit die Steuern nicht in schwindelnde Höhen getrieben werden müssten und es nicht zu einem ruinösen Wettkampf zwischen den Kommunen kommen würde. Dazu hatten wir übrigens schon bei einer vorherigen Frage einen Antrag der FDP aus dem Jahre 2015 angemerkt, in dem eine Reform des Gemeindefinanzierungsgesetzes gefordert wird, um den tatsächliche Finanzbedarf der Kommunen wissenschaftlich ermitteln zu lassen. Dieser Antrag wurde durch die SPD und die Grünen damals abgelehnt. Solche Einwendungen sind dem Kommentator aber anscheinend entgangen. Eine Schuldzuweisung wegen der falschen Fragestellung habe ich gar nicht erwähnt. Und warum sollte ich auch in diesem Moment sagen, dass meine Antwort falsch formuliert sei? Das erschließt sich mir schon logisch nicht.
Frau Dohmann wurde mit der Frage der Grünen überrascht, dass der FDP-Parteivorsitzende Christian Lindner 2013 eine Forderung nach Streichung von 14.000 Stellen in den Landesbehörden gefordert hätte. Das ist ganz offensichtlich falsch, denn Lindner sagte in einem Interview mit der Bild, als er gefragt wurde:
Bild: Also lieber 14 000 Stellen streichen, dafür die Tariferhöhung umsetzen?
Lindner: „Die Zahl bezweifel ich, aber am Personalabbau kommen wir nicht vorbei. [...]“
Aber wie soll man in diesem Moment auf die falschen Zahlen ragieren? Durch eine kurze Recherche hätte Herr Diebäcker dies selbst herausfinden können.
FAZIT:
Aus meiner Sicht, war die Podiumsdiskussion für den Zuhörer erhellend, weil zumindest einige Positionen der Parteien nicht nur im Hinblick auf die Kommunalfinanzierung geklärt werden konnten. Dass der Bürgermeister und der Kämmerer mit dem Verlauf und den Antworten nicht zufrieden gewesen sein können, leuchtet mir auch ein. Wir werden ihre Fragen aber im Nachgang noch einmal schriftlich beantworten. Warum der Autor seinen Kommentar in dieser Weise formuliert, erschließt sich mir nicht. Er selber leistet damit der Entdemokratisierung der Bürger Vorschub, indem er das Ganze zur Lachnummer verkommen lässt. Es lief zwar nicht alles rund, aber man konnte zumindest die Standpunkte der einzelnen Parteien erkennen.
tl;dr
Die Kritik an der Podiumsdiskussion in Dorsten teile ich so nicht und kann auch dem ironischen Schreibstil in diesem Falle nichts abgewinnen.
CL